Gute Dialoge sind großartig – sie bringen buchstäblich Leben in einen Text, und sie sind die einzige Möglichkeit, Figuren unvermittelt zu zeigen. Wie etwas aussieht, wie es riecht, was es bedeutet, … das alles muss beschrieben werden. Dialoge hingegen sind eine unmittelbare Lebensäußerung der Figuren.
Die Schreiblehrerin Anne Lamott sagt: Ein guter Dialog ist für den Leser das reine Vergnügen … Umgekehrt kann nichts die Stimmung eines Textes so wirkungsvoll zerstören wie ein schlechter Dialog. Das stimmt.
Ein schlechter Dialog könnte z.B. so aussehen:
„Wir müssen reden, Schatz.“ Sabines Stimme klingt gepresst. „Du sagtest mir schon ungezählte Male, dass du nur mich allein liebst, doch ich fürchte, ich glaube dir nicht, obwohl ich es doch so sehr will“, schluchzt sie aufgelöst. „Ich bin zutiefst traurig und habe das Gefühl, in dieser Beziehung zu versagen, weil ich so misstrauisch und eifersüchtig bin.“ Ihr Weinen wird immer heftiger. „Ich bin sicher, du kannst das nicht verstehen. Immer bist du gut zu mir, und dennoch vertraue ich dir nicht. Es tut mir so leid!“
„Sei nur ruhig, Liebste“, besänftigt Timo sie und nimmt sie sanft in den Arm. „Du hast recht, ich würde lügen, wenn ich behaupte, ich verstehe deine Eifersucht“, bestätigt er. „Denn es ist wahr, ich liebe nur dich und würde dir niemals mit Absicht wehtun wollen. Aber ich will dir versprechen, dass wir beide gemeinsam das durchstehen. Wir gehen zu einem guten Paartherapeuten, gleich morgen. Was meinst du?“
Sabine nickt und trocknet sich die Tränen. „Das ist wahrscheinlich das Beste. Danke für dein Verständnis“, seufzt sie schwer.
In welche typischen Fallen tappt dieser Dialog? Wie kann man sie vermeiden?
1. Stilistische Stolpersteine: Der Dialog klingt hölzern, geschwollen, nicht authentisch.
- Talking Heads: Die Figuren hängen im Raum, man das Gefühl, ein Theaterstück zu lesen.
- Infodumping: Was die Figuren sagen, ist nur dazu da, Leser zu ‘informieren’.
- Fehlender Subtext: Gedanken und Gefühle werden nicht durch die Figur verkörpert, sondern von ihr beschrieben.
- Der Dialog bringt die Geschichte nicht voran: Man kann den Dialog weglassen, ohne dass in der Handlung etwas fehlt, nichts verändert sich im Leben der Figuren. Er ist lediglich Geräuschkulisse.
- Doppelungen: Dialog, Redeverben und Beschreibungen wiederholen sich inhaltlich, der Dialog wird dadurch statisch, umständlich und langweilig.
Gehen wir diese typischen Dialog-Fallen nacheinander durch.
Guter Dialogstil braucht …
… die passende Zeitform:
Zum Beschreiben einer Handlung im Roman eignet sich das Präteritum (er schlief, ging, kletterte) sehr gut, doch im Dialog klingt es meist zu gewählt oder gestelzt: „Gestern traf ich zufällig Max.“ So redet kaum jemand.
Wenn man in einem Gespräch von vergangenen Ereignissen erzählt, klingen Perfekt (vollendete Gegenwart) oder Präsens (Gegenwartsform) lebendiger: „Gestern habe ich zufällig Max getroffen.“ (Perfekt) Oder: „Treffe ich doch gestern Max!“ (Präsens)
… keinen Konjunktiv oder Infinitiv:
Auch Konjunktiv kann stilistisch sehr gewählt sein – jedoch nicht im Dialog, dort wirkt er eher gekünstelt: „Meine Schwester sagte, sie sei gestern ihrem Ex begegnet und habe ihn am liebsten zum Mond schießen wollen. Wenn er ihr nicht so Leid getan hätte.“
Ebenso wenig eignet sich der Infinitiv (Grundform des Verbs), weil er „Spreche“ zu „Schreibe“ macht: „Ich gehe jetzt“ klingt gesprochener als „Ich beabsichtige zu gehen“.
Wenn man eine Figur als affektiert und umständlich charakterisieren möchte, eigenen sich Konjunktiv und Infinitiv: „Wenn du nur wolltest, ich wäre da dich zu beschützen, auf Händen zu tragen, zu lieben!“
… keine Adverbien (Umstandswörter). Also besser darauf verzichten:
„Wo, zum Teufel, ist denn nur mein Handy?“, rief er vorwurfsvoll.
„Wie soll ich das wissen?“, antwortete sie gereizt.
„Hier auf den Nachttisch hab ich es gelegt – gestern Abend…“, behauptete er steif und fest.
„Ich hab es aber nicht weggeräumt!“, erwiderte sie ebenso bestimmt.
„Ach, da, auf dem Fernseher, da ist es ja!“, sagte er endlich erleichtert.
Die Adverbien (vorwurfsvoll, gereizt, …) sind nicht nur überflüssig, sie stören sogar. Der Dialog verliert nichts, wenn Sie sie weglassen.
Im Gegenteil. Dass hier Vorwürfe geäußert werden, die Gesprächspartner gereizt und stur sind, ergibt sich zweifelsfrei aus dem, was gesagt wird. Wenn man Lesern durch zu viele Adverbien vorgibt, wie etwas gesagt wird, fühlen sie sich leicht bevormundet, ihr eigener Vorstellungsraum wird unnötig eingeschränkt.
Konzentrieren Sie sich in Dialogen eher darauf, was gesagt wird, und überlassen Sie Lesern die Interpretation, wie es gesagt wird.
… passende Redeverben:
In manchen Dialogen steht nach jeder Äußerung „sagte er“, „antwortete sie“, „fragte er“ und so fort. Solche schlichten Verben haben den Vorteil, dass Leser nicht an ihnen hängenbleiben, weil sie eher wie Satzzeichen wahrgenommen werden. Sie stören weiter nicht und erleichtern die Orientierung.
Eine ständige Wiederholung von „sagte er“ / „sagte sie“ kann jedoch monoton wirken. Man kann darum auch mit farbigeren Verben wie rufen, flüstern, seufzen, schreien, versichern usw. arbeiten.
Es ist mit den farbigen Redeverben jedoch ähnlich wie mit den Adverbien: Weniger ist mehr, Leser könnten sich sonst schnell eingeengt und gegängelt fühlen.
Ganz vermeiden sollten Sie Redeverben, die eigentlich gar keine Redeverben sind:
„Wir müssen reden, Schatz“, blitzte sie ihn an.
„Anblitzen“ ist kein Sprechen, sondern eine Art zu blicken. Der Satz wird also inhaltlich schief, und Leser mit etwas Anspruch an sprachliche Qualität bleiben an so etwas hängen. Korrekt sind z.B. folgende Varianten:
→ Ihre Augen blitzten vor Wut. „Wir müssen reden, Schatz“, sagte sie.
→ „Wir müssen reden, Schatz“, sagte sie, und ihre Augen blitzten vor Wut.
… eindeutige Markierung des Sprecherwechsels:
Dialoganzeiger können in vielen Fällen auch komplett weglassen werden: „Wir müssen reden, Schatz.“
Das genügt völlig, setzt jedoch voraus, dass aus der Situation eindeutig hervorgeht, wer etwas sagt. Das funktioniert, wenn Sie bei jedem Sprecherwechsel einen Zeilenumbruch machen. So entsteht mehr weißer Raum auf der Seite, und das erleichtert die Orientierung, sodass Sie Redeverben und lange Erklärungen oft weglassen können.
Wer etwas sagt, kann auch durch die Handlung, die den Dialog begleitet, verdeutlicht werden:
→ „Wo zum Teufel ist mein Handy?“ Heinrich blickte in der Küche umher.
→ Lisa warf sich auf ihr ungemachtes Bett. „Ich bin todmüde.“
→ Nick schob eine Fußspitze über den Felsvorsprung. „Das geht aber ziemlich tief runter.“
… keine langen Monologe:
Damit ein Dialog interessant und dynamisch wird, damit er sich bewegt, sind relativ häufige Sprecherwechsel wichtig.
Also: Lassen Sie weg, was Sie nicht brauchen! Dialog lebt von sprachlicher Verdichtung und er atmet durch weißen Raum auf der Seite. Verstellen Sie ihn nicht mit Adverbien und zu vielen / falschen Redeverben.
2. Die Bühne bereiten
Entgegen der Faustregel, die wörtliche Rede einer Figur nicht zu lang werden zu lassen, braucht man manchmal einen Redeschwall, um ihre Situation zu verdeutlichen. In dem Fall sollte Dialog durch Einschübe, Handlung, Gesten, Gedanken etc. aufgelockert und unterstützt werden.
So entsteht eine Bühne für die Figuren und es werden sogenannte Talking Heads vermieden – sprechende Köpfe, die im Nichts schweben und Worte austauschen. Anders als in einem Theaterdialog, bei dem die Figuren ausschließlich reden und Regisseur, Bühnenbildner und Schauspieler die Situation dazu auf die Bühne bringen, sind Sie als AutorIn ein ganzer Theaterbetrieb in Personalunion. Auch während eines Dialogs müssen Figuren und Szenerie sichtbar bleiben, muss die Geschichte weiterlaufen.
Zu einem guten Dialog gehören ein Ort, eine Situation und eine Handlung, die Konflikte, Beziehungen, Fragen und Freuden einschließt.
Achtung: Es genügt übrigens nicht, Figuren hier oder dorthin blicken, gestikulieren, aufstehen, sich wieder setzen, rauchen oder Tee trinken zu lassen.
Sie brauchen eine Situation, in der Gesten oder Handlung eine Bedeutung für Ihre Figuren gewinnen und dadurch zu einem ‚sprechenden Detail‘ werden. So entsteht übrigens auch Subtext – dazu weiter unten mehr!
3. Dialog und Informationen
Was für das Verständnis der Handlung wichtig ist, kann oft auch in Dialogen untergebracht werden. Der Vorteil: Im Dialog sind keine langen Erklärungen notwendig. Gelingt es, Informationen geschickt im Dialog zu verteilen, dann merken Leser nicht, dass sie ‚unterrichtet‘ werden, wie in diesem Beispiel:
Alma schreckte hoch. Ein archaischer Weihnachtsmann mit einer gigantischen Glocke hatte sie durch einen Wald gehetzt. Jetzt merkte sie, dass das Telefon neben ihrem Bett unablässig klingelte. Benommen nahm sie den Hörer ab.
„Professor Sörensen?“, sagte sofort eine Männerstimme. „Ich muss Sie dringend sprechen.“
„Wer ist denn da?“
„Mein Name ist Jens Köhler. Ich bin Meteorologe.“
„Was? Sind Sie sicher, dass Sie nicht eine andere Frau Sörensen sprechen wollen?“
„Sie sind Professorin für Anthropologie an der Universität München. Sie haben zwei Bücher über mythologische Strukturen geschrieben, und eins über … “
Alma warf einen Blick auf den Radiowecker. „Hören Sie mal, wissen Sie eigentlich, wie spät es ist?“
Ohne Umschweife erfährt man einiges über Alma Sörensen. Köhler gibt dem Leser Informationen über Alma, weil er sie überzeugen will, dass er wirklich sie meint mit seinem nächtlichen Anruf. Die Information ist also in der Situation der Figuren begründet. Zugleich wird eine Frage aufgeworfen: Was will ein Meteorologe mitten in der Nacht von einer Anthropologin? – Schon ist eine Grundspannung aufgebaut.
Informationen elegant im Dialog unterzubringen, funktioniert jedoch nur, wenn man dabei eine Sache beachtet: Als AutorIn wissen Sie, dass bestimmte Informationen für den Leser gedacht sind.
Das sollte jedoch besser nicht so aussehen:
„Schatz, kannst du mal die Heizung runterdrehen?“, sagte Suse.
„Klaro, Baby“, antwortete Martin. „Seit dein Vater uns letzten Herbst diese supergünstigen Thermopenfenster eingebaut hat, müssen wir ja viel weniger heizen.“
Die Information über die billigen Thermopenfenster liegt nicht in der Situation begründet, sie ist für die Handlung oder die Beziehung der Figuren nicht wichtig. Martin gibt diese Information ohne ein erkennbares Motiv. Würde er Suse wirklich etwas erzählen, was sie erstens mit Sicherheit weißt und was zweitens vollkommen nebensächlich ist?
Noch ein Beispiel dazu: „Gerd, gibt mir doch mal die Schlüssel zu unserem roten Cabriolet.“
So würde man reden, wenn man mehrere Autos besitzt und einen ganz bestimmten Schlüssel braucht. Ansonsten sagt man schlicht: „Gerd, gib mir doch mal die Autoschlüssel.“
Was Figuren sagen, sollte in der Situation begründet sein. Sobald sie nicht mehr zu ihrem Gesprächspartner, sondern allein zum Leser sprechen, entsteht Infodumping. Figuren erzählen einander nicht, was alle längst wissen. Sie bewegen sich auf einem gemeinsamen Wissensstand und sprechen auch so. Erst wenn der Wissensstand zwischen den Figuren ungleich ist, kann eine Figur die andere(n) Figur(en) – und damit auch den Leser – offen informieren.
4. Wie entsteht Subtext?
Der Bühnenautor Robert Anderson sagte über seinen Kollegen Sidney Kingsley: Ich wusste, dass Sidney an einem Stück schrieb, also fragte ich ihn, wie es voranging. Er sagte: ‚Ich bin fast fertig, morgen fange ich damit an, die Dialoge zu schreiben’.
Das klingt wie ein Witz, denn woraus sonst als aus Dialogen besteht denn ein Bühnenstück? Doch es ist ganz ernst gemeint: Der Dialog kommt, wenn alles andere steht. Guter Dialog ist wie die Spitze eines Eisberges. Sie kann nur aus dem Wasser ragen, wenn unter der Wasseroberfläche ein stabiles Fundament liegt. Etwa 80 Prozent des Eisbergs liegen unter Wasser.
Guter Dialog besitzt einen ebenso großen unsichtbaren Unterbau. Figuren schleppen unter der Oberfläche ihrer Dialoge Beziehungen mit sich herum, Konflikte und Gefühle, kleine und große Machtspielchen, ihre bewussten und unbewussten Ziele. All das gehört zum sogenannten Subtext eines Dialogs.
Genau wie die Figuren selbst haben auch ihre Dialoge einen vielschichtigen Charakter. Sie haben ein äußeres Erscheinungsbild, einen bestimmten Redestil – und sie besitzen ein Innenleben, das zwischen den Zeilen aufscheint.
Wie entstehen diese untergründigen Strömungen, die Dialoge so spannend machen? Wie sagt man das, was nicht gesagt wird?
Im richtigen Leben sagen Menschen oft nicht das, was sie wirklich fühlen oder denken. Sie kommen aus etlichen Gründen nicht zum Kern der Sache. Shelley Lowenkopf sagt dazu: Im Dialog kommt der geheime Teil der Figur zum Vorschein. Um einen guten Dialog aufzubauen, muss der Autor wissen, was die Figur geheim halten möchte.
Das Ungesagte kann mit Rollenverhalten in der Arbeitswelt zusammenhängen, mit Konflikten im Privatleben, die man umschiffen möchte oder auch mit persönlichen Schwächen, die man vor Familie, Freunden oder auch vor sich selbst gern verheimlicht. All dieses Nichtgesagte ist Subtext. Und, noch wichtiger: Der Subtext ist das, was die Figur eigentlich sagt.
Subtext erzeugt Spannung, weil er andeutet, dass es um mehr geht als um das, worüber geredet wird. Man ahnt, unter dieser Oberfläche passiert etwas, wie im folgenden Beispiel:
„Was möchtest du heute aufs Schulbrot haben, Spatz?“
„Lass, Mama, das mach ich schon.“
„Ach, du kaufst dir doch nur wieder ein Snickers. Willst du Käse oder Schinken?“
„Mama, ich esse doch kein Fleisch.“
„Aber du musst doch wachsen! Ich mach dir eins mit Nutella, ja, Spätzchen?“
An der Oberfläche sehen wir eine fürsorgliche Mutter, die sich Sorgen um die Ernährung ihres Sohnes macht. Es zeigt sich aber auch ihre Inkonsequenz: Sie will nicht, dass der Sohn sich Snickers kauft, schmiert ihm dann aber Nutella aufs Brot.
Der Subtext zeigt: Eigentlich geht es darum, dass die Mutter Angst davor hat, dass ihr Sohn selbständig wird. Sie versucht, die Kontrolle zu behalten. Sie traut ihrem Sohn nicht zu, selbst zu entscheiden, was er isst, obwohl sie ihn fragt, was er möchte. Mit dem Satz „Ich esse doch kein Fleisch“ wird deutlich, die Mutter respektiert ihren Sohn nicht als eigenständige Person. Sie nimmt einfach nicht wahr, dass er Vegetarier ist. Dass sie ihm Nutella aufs Brot schmiert, ist der Versuch, den kleinen Jungen in ihm anzusprechen.
Wenige Zeilen können also eine Menge Subtext enthalten; man erfährt hier etwas über die Beziehung der Figuren, ohne dass darüber geredet wird. Würde die Mutter direkt aussprechen, was im Subtext liegt, würde das ziemlich übertrieben klingen: Aber du bist doch mein kleiner Junge, und ich ertrage es nicht, dass du erwachsen wirst!
Subtext verrät also immer auch etwas über Hierarchien zwischen Figuren, Machtspiele, Motive, Ängste, Vermeidungsstrategien, Wünsche, …
5. Konflikt und Hierarchiewechsel
Subtext transportiert die unterschwelligen Spannungen zwischen Figuren, hier lauern die Geheimnisse, die alles verändern werden. Oft gibt es im Dialog aber auch einen offenen Konflikt, während unter der Oberfläche ein anderer Konflikt schwelt, wie im letzten Beispiel zwischen Mutter und Sohn.
Die Konflikte einer Geschichte werden durch die Figuren sichtbar gemacht, unter anderem durch Dialoge. Wo immer dem Leser ein Konflikt, ein Problem oder auch nur eine harmlose Verwicklung in Dialogform vorgetragen wird, entsteht Spannung.
Im diesem Dialogbeispiel fehlt Konflikt:
„Guten Morgen, Schatz“, sagte Barbara fröhlich und setzte sich voller Energie an den gedeckten Frühstückstisch.
„Oh, guten Morgen.“ Bernd faltete die Zeitung zusammen und legte sie beiseite. „So früh schon auf den Beinen?“
„Du doch auch. Und sogar der Kaffee ist schon fertig.“ Barbara lächelte, während er ihr Kaffee einschenkte. Ein Blick auf die Terrasse zeigte ihr einen strahlenden Sonntagmorgen. „Ist es nicht ganz herrlich draußen?“
„Ja, wirklich, ein Tag wie aus dem Bilderbuch.“
„Wie wäre es, wenn wir in die Berge fahren? Oben am See müsste man heute herrlich schwimmen können.“
„Wunderbare Idee! Ich nehme meine Angel mit. Dann haben wir später was zum Grillen.“
„Ja, und ich nehme den Roman mit, den deine Exfrau mir geschenkt hat. Sie trifft wirklich immer meinen Geschmack.“
Bernd legte seine Hand auf Barbaras und Barbara legte glücklich den Kopf an Bernds Schulter. „Das wird bestimmt ein herrlicher Tag.“
„Ganz bestimmt, Schatz“, sagte Bernd und küsste ihre Stirn.
Wenn Dialoge nur Wortgeplänkel sind und die Figuren nicht auf irgendeine Weise herausfordern, sind sie überflüssig, weil sie die Handlung nicht vorwärts bringen. Offene oder versteckte Konflikte im Dialog helfen auch, die Figuren zu charakterisieren, denn man lernt eine Figur immer dann am gründlichsten kennen, wenn man sie unter Druck erlebt.
Durch eine kleine Abwandlung am Anfang des Dialogs entsteht Konflikt:
„Guten Morgen, Schatz“, sagte Barbara fröhlich und setzte sich voller Energie an den gedeckten Frühstückstisch.
„Oh, guten Morgen.“ Bernd faltete die Zeitung zusammen und legte sie beiseite. „So früh schon auf den Beinen?“
„Ist das ironisch gemeint? Wieso ist denn der Kaffee noch nicht fertig?“
Hier bahnt sich ein Konflikt an. Jetzt kann es losgehen!
In interessanten Dialogen gibt es zudem oft ein – manchmal offensichtliches, manchmal unterschwelliges – Machtgefälle zwischen den Figuren. Durch dieses Gefälle kommt grundsätzlich Spannung und Dynamik in den Dialog. Man kann durch einen Hierarchiewechsel im Dialog Bewegung herstellen: Wer am Anfang des Dialogs unterlegen war, ist am Ende überlegen und umgekehrt. Dadurch löst sich die Spannung auf, mit der der Dialog begonnen hat – und sofort entsteht eine neue Spannung.
Wenn Sie längere Dialoge schreiben, stellen Sie sich daher folgende Fragen:
→ Gibt es hier einen unterschwelligen oder einen offenen Konflikt?
→ Führt der Dialog zu einer Wendung der Ereignisse in der Geschichte oder zu einer Veränderung in der Beziehung der Figuren?
→ Gibt es ein subtiles oder deutliches Machtgefälle zwischen den Figuren?
→ Dreht es sich im Verlauf des Dialogs vielleicht um?
Wenn Sie keine dieser Fragen mit Ja beantworten können, ist der Dialog mit großer Wahrscheinlichkeit noch nicht wirklich gut.
6. So vermeiden Sie Doppelungen
Figuren sollten uns per Dialog keine Informationen geben, die wir bereits der Umgebung, Körpersprache oder anderen sichtbaren Vorgängen entnehmen können. Wenn Sie feststellen, dass Textpassagen behäbig, langweilig und unbeholfen wirken, überprüfen Sie, ob Sie im Dialog lediglich doppeln, was schon auf anderen Erzählebenen deutlich wird. Folgende Doppelungen können einem leicht unterlaufen:
Gestik / Dialog:
Er zeigte ihr einen Vogel, schüttelte den Kopf und sagte, „du spinnst wohl, kommt gar nicht in die Tüte!“
etwas besser: Er zeigte ihr einen Vogel. „Vergiss es, kommt gar nicht in die Tüte!“
konsequent reduziert: Er zeigte ihr einen Vogel.
Die Geste allein sagt bereits alles – mehr braucht es hier nicht.
Mimik / Dialog:
Sie hob den Topfdeckel, schnüffelte und verzog angewidert das Gesicht. „Puh, das stinkt“, sagte sie.
Nutzen Sie hier lieber Ironie statt Doppelung: Sie hob den Topfdeckel, schnüffelte und verzog angewidert das Gesicht. „Ein wahres Festmahl!“
Gefühle und Gedanken / Dialog:
Seit Tagen schon fühlte er sich getrieben und innerlich wund. Das waren die Schuldgefühle wegen Erika, die ihn in seiner Wohnung hin und her laufen ließen wie ein Tier im Käfig. Er hätte sie nicht allein lassen dürfen. „Verdammt, ich hätte bei ihr bleiben müssen“, murmelte er.
Die ist umständlich, klischeehaft und gedoppelt!
Verknappung + erlebte Rede statt Dialog: Seit Tagen lief er, getrieben von Schuldgefühlen, in seiner Wohnung hin und her. Verdammt, er hätte bei Erika bleiben müssen!
Handlungsbeschreibung / Dialog:
Mit behutsamen Bürstenstrichen glitt die Zofe über das Haar ihrer Herrin. Es glänzte seidig und weich und fühlte sich ganz glatt unter ihren rauen Händen an. „Ihr habt so weiches Haar, Herrin.“
So klingt das ohne Doppelungen und direkt aus dem Erleben der Figur heraus geschrieben: Kaum wagte sie es, das seidige Haar mit ihren rauen Händen zu berühren. Mit behutsamen Bürstenstrichen glitt sie darüber. „Ist es so recht, Herrin?“
Ortsbeschreibung / Dialog:
Die letzten Meter bis zum Gipfel waren die schwersten. Aber dann der Ausblick! Obwohl er vor Erschöpfung zitterte, nahm er sich nicht die Zeit, die Wasserflasche hervorzuholen und seinen Durst zu stillen. Zuerst musste er den Anblick einer ganzen Welt zu seinen Füßen trinken. „Was für ein Ausblick“, seufzte er glücklich.
Besser: Die letzten Meter bis zum Gipfel waren die schwersten. Obwohl er vor Erschöpfung zitterte, nahm er sich nicht die Zeit, die Wasserflasche hervorzuholen und seinen Durst zu stillen. Zuerst musste er den Anblick einer ganzen Welt zu seinen Füßen trinken.
Man braucht hier weder den Dialog noch den Hinweis auf die Aussicht. Dass die grandios ist, ergibt sich aus dem Kontext.
Statt Dialog mit Gestik, Mimik, Handlung, Gedanken, Gefühlen und Beschreibungen zu doppeln, verknappen Sie lieber und stellen Sie Kontraste her, die Spannung und Subtext erzeugen!
Das nächste Webinar zum Thema Dialoge findet am 25.1.2018 statt. Wer möchte, kann gern hier eine Aufgabenstellung herunterladen und einen Text einsenden!
Gabi Kremeskötter meint
Hallo Karla,
ein klasse Artikel! Er fasst verständlich all das zusammen, was für einen Dialog wichtig ist.
Herzlichen Dank, ich werde ihn sicher des Öfteren zitieren und auf dich verweisen.
Gruß Gabi